Faszien

Ein erwachsener Mensch mit durchschnittlichen Körperproportionen besitzt zirka 18 bis 23 Kilogramm Faszien. In der Gesamtfläche sind sie sogar größer als unsere Haut. Erst in den letzten Jahren wurden die Eigenschaften und Funktionen der Faszien erforscht und das Wissen darüber in der Medizin, Schmerztherapie, Rehabilitation sowie Physiotherapie und Sport eingesetzt. Was genau sind die Faszien und wo finden wir sie überhaupt?

Was sind Faszien?

Faszien sind ein dünnes weißes Gewebe, das alle unsere Muskeln und Muskelfasern, Organe, Nerven, Gefäße und Knochen umhüllt und diese wie ein gespanntes Netz miteinander verbindet. Sie befinden sich unter der Haut und ziehen sich durch den ganzen Körper hindurch. Sie gehören zum Bindegewebe, genauso wie unsere Bänder, Sehnen, Sehnenplatten, Knorpel oder Gelenkkapseln. Sie unterstützen den Körper bei der Fortbewegung, Übertragung und Verteilung der Kraft auf die jeweilige Muskulatur und schützen vor Verletzungen. Man kann sich die Struktur wie bei einer Zitrone vorstellen. Die einzelnen Kammern trennen das Fruchtfleisch voneinander und geben der Frucht seine Form.

Faszien sind ein umhüllendes und verbindendes Spannungsnetzwerk

Viele Nervenrezeptoren sind in den Faszien eingewoben, womit eine direkte Kommunikation mit dem Gehirn über die Bewegung und Organfunktionen stattfindet. Die Kommunikation erfolgt durch elektrischen Strom, nicht durch chemische Reaktion, wodurch sie auch viel schneller ist.

Im gesunden Zustand sind Faszien geschmeidig, elastisch, in einer geordneten Struktur miteinander verbunden und mit ausreichend Wasser gefüllt. Sie haben eigenen Spannungszustand, der die Muskelspannung beeinflusst. Ohne Faszien könnten wir nicht aufrecht stehen, wir hätten keinen Halt. Wenn wir uns über Rückenschmerzen beschweren, sind dahinter oft verfilzte und verklebte Faszien zu finden.

Faszien passen sich im Laufe der Zeit dem Körper an. Es kommt drauf an, welche Körperhaltung wir überwiegend einnehmen und welche Bewegungsabläufe zu unserem täglichen Repertoire gehören. Wenn wir beispielsweise nur in einer bestimmten Position sitzen, werden uns die Faszien mit der Zeit in diese Position formen. Die gute Nachricht ist, wir können die Form der Faszie verändern und aus einer Fehlhaltung aussteigen, jedoch brauchen wir Geduld. Es braucht ungefähr ein Jahr, bis sich die Hälfte des Fasziengewebes erneuert hat.

Faszien können sich unabhängig von der Muskulatur zusammenziehen. Wenn der Alltag durch einen belastenden Stress gekennzeichnet ist und wir befinden uns unter einer emotionalen Belastung, können sich unsere Faszien zusammenziehen und diese Spannung auch relativ lange aufrechterhalten. Wenn sie diese Spannung dauerhaft halten müssen, werden wir es als Schmerz empfinden.

Eigenschaften des Fasziengewebes

Formen

umhüllen, schützen, polstern, strukturieren, abgrenzen, aufhängen, verbinden

Bewegen

Kraftübertragung und -speicherung, Spannung, Dehnung, Elastizität, Festigkeit

Versorgen

Wasserhaushalt, Stoffwechsel, Nahrungszufuhr

Kommunizieren

Information empfangen, senden und weiterleiten

Faszien erledigen wichtige Aufgaben:

  • Faszien übertragen Kraft und Energie, die wir zur Aufrichtung und Bewegung brauchen.
  • Faszien schützen vor Verletzungen und puffern eine Krafteinwirkung ab.
  • Faszien unterstützen das Immunsystem bei Bekämpfung von Krankheiten.
  • Faszien versorgen unsere Zellen mit Nährstoffen und beteiligen sich am Stoffwechsel.
  • Faszien haben eine Stützfunktion, weil sie unsere Knochen und Muskulatur verbinden und zusammenhalten.
  • Faszien werden als sechstes Sinnesorgan bezeichnet. Sie nehmen Veränderungen im Körper wahr und informieren darüber das Gehirn. Diese Kommunikation erfolgt „Button – Up“ – also vom Körper zum Gehirn und dringt erst dann in unser Bewusstsein.
  • Faszien informieren uns über die Beweglichkeit, Körperhaltung, Mobilität, Schmerzempfinden und die Gefühlslage.
  • Faszien haben eine Grundspannung, die sie in Gefahrensituationen unwillkürlich erhöhen können. Wenn diese Energie und Kraft nicht abgebaut wird, bleibt sie in den Faszien und somit im Muskeltonus gespeichert.
Faszien und Muskeln bilden zusammen sogenannte Myofaszien

Alle Muskeln sind mit dem Fasziengewebe umhüllt und durchdrungen. Sie bilden zusammen eine untrennbare und mietender verknüpfte Einheit. „Myo“ bezeichnet das Muskelgewebe und „Faszie“ das netzwerkartige Bindegewebe. Im ganzen Körper erstrecken sich myofasziale Leitbahnen. Diese Leitbahnen verbinden die Myofaszien zusammen und ordnen sie ohne Unterbrechung vom Kampf bis Fuß aneinander. Durch die myofasziale Leitbahnen, oder auch Muskel- und Bindegewebsketten genannt, wird das funktionale Netzwerk im Körper deutlich. Das Wissen über die myofasziale Leitbahnen finden wir schon in den alten Traditionen der östlichen Kulturen. Yoga bedient sich diesem Wissen bei der Übung von Asanas – Körperhaltung und die Traditionelle Chinesische Medizin spiegelt uns diese Tatsachen in der Akupunktur und der Akupressur.

Wenn unsere Faszien ihre Aufgabe nicht mehr richtig ausführen können, merken wir es in der Regel an der Bewegungseinschränkung, Schmerzen oder emotionalen Anspannung. Das soll für uns der Anstoß zur Veränderung sein. Zuerst sollten wir beobachten, was wir eigentlich falsch machen. Das heißt, unsere Wahrnehmung schärfen und aus unserer Beobachtung Schlüsse ziehen. Danach kommt die Phase der Veränderung. Faszien lieben hüpfen, springen, klopfen, passives Dehnen, so wie in Yin Yoga oder Zittern, so wie das neurogene Zittern. Es gibt zahlreiche Angebote, bei denen das Faszientraining im Vordergrund steht.

Wenn Sie sich in diesem Thema weiter vertiefen möchten, empfehle ich Ihnen folgende Literatur:
Myers, Thomas W.: Anatomy Trains – Myofasziale Leitbahnen, München 2015
Balke-Holzberger, Ulrike: Gesunder Rücken durch Zittern. Rückenschmerzen mit Faszien-Stress-Release lindern und auflösen. Stuttgart 2020.